Rezensionen und Online-Artikel

FRAUENLAND: 
Barbie im Wilden Westen

Created with Sketch.

Der Wahl-Braunschweiger Wolfgang Schmidt hat eine Westernerzählung veröffentlicht, die Frauen in der Westernliteratur eine neue Rolle zuschreibt, und somit die Reihe der kritischen Western fortsetzt, ohne auf klischeetypische Merkmale des Genres zu verzichten. Man sollte sagen: Die kämpferische, emanzipierte Barbie der Greta Gerwig sei in Westernland angekommen.

Wenn in Büchern und Filmen von “Wilder Westen” die Rede ist, geht es im Allgeneinen um die westlich des Mississippi gelegenen Gebiete der heutigen USA im 19. Jahrhundert, so im ONLINE-Lexikon “Wikipedia” nachzulesen.

Als die Geschichte des Kinos in den USA ihren Anfang nahm, entwickelte sich der Western zu einem der beliebtesten Genres in Hollywood und fand seinen Niederschlag in weiteren Filmen, Büchern und Heften in vielen Teilen der Welt.

Western wurden zu Beginn an von Männern für Männer geschrieben. Und sie wurden auch vornehmlich von Männern konsumiert. So wurden Stereotypen verwendet, die Männern und Frauen bestimmte Eigenschaften zuschrieben. Männer waren in einer aktiven Rolle die Gestalter. Sie waren die Helden. Frauen wurde in der Regel die passive Rolle zugeschrieben. Frauen im Western wurden von Cowboys erobert, verteidigt, gerettet oder geheiratet.

In den 90er Jahren entstand ein neuer Zyklus an Westernfilmen. Etwa in Hannie Coulder (1971) und Rooster Cogburn and the Lady (1975). Frauen wurden in ihren Rollen zu besseren Männern,  im Stile Clint Eastwoods.  Ein gängiges Stilmittel war zudem, dass Frauen im Western, die sich so stark verhalten wie Männer, lächerlich gemacht, stark kritisiert oder getötet werden und nur selten das Ende eines Films überleben. Etwa Mary Bee Cuddy in The Homesman oder Daysie Domergue in The Hatefull 8. Man könnte glauben, Frauen könnten im Western in ihrer Eigenschaft als Frau nicht zu Heldinnen werden.

Es gibt aber auch Westernproduktionen, die sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen und neue Interpretationen der Frauenrolle anbieten. Etwa Bad Girls von 1994, True Grit aus dem Jahre 2010 oder Kasi Lemmons  Harriet – Der Weg in die Freiheit, der neu in die Kinos kommt. Und auch in einer deutschen Produktion versuchte sich 2013 Nina Hoss als taffe Emely Meyer in Gold in der Rollenfindung. 

FRAUENLAND, das neue Buch des Braunschweiger Autors, Wolfgang Schmidt, zeigt eine weitere Variation von Rollenbild der Frau im Western. So beginnt die Erzählung als klassischer Western mit Männern und ihren Kämpfen in einem gesetzlich noch wenig geregelten Umfeld. Die 7 weiblichen Protagonistinnen sind zunächst den Machenschaften der Männer ausgeliefert. Doch als sie auf einer Ranch im Süden von Texas ein neues Zuhause finden, erfahren sie eine Wandlung zu starken und mutigen Heldinnen, ohne  einfach nur die Rolle von Männern zu übernehmen. Sie werden zu den Glorreichen Sieben.

Ein Buch mit vielen Details und Facetten der Lebenswelt in Texas der 1870er Jahre. Viele bekannte Namen aus dieser Zeit geben sich ein Stelldichein. Jonny Ringo, der Revolverheld, der Marshal Wild Bill Hickock,, die Kunstschützin Annie Oakley und die umstrittene Frauenrechtlerin Viktoria Woodhull, die in einer mitreißenden Rede vor Frauen unbeabsichtigt einen aktuellen Bezug in unsere Gegenwart herstellt, wenn sie prophezeit: “Aber ich habe die Überzeugung, dass es keine 150 Jahre dauert, und eine Frau wird Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Und ich sehe noch mehr: diese Frau wird schwarze Hautfarbe haben!” Diese fiktive Rede stammt von 1872. Die 150 Jahre sind um. Kamala Harris ist jetzt am Zug.

 

Hingewiesen werden sollte auf eine Diplomarbeit “Die Frauenposition im US-amerikanischen Western”, die Paul Uhlmann 2015 an der Universität Wien eingereicht hat, um Magister der Philosophie zu werden. Einige Gedanken sind dieser Arbeit entnommen.

Erschienen ist der Roman im bookmundo-Verlag. Zu erwerben ist das Buch im Internet und jedem guten Buchladen. Exemplare liegen bei Graff in Braunschweig und Behr in Wolfenbüttel aus. Der Preis beträgt 17,36 Euro.

FRAUENLAND: 
ein historischer Roman, der in die Zukunft reicht

Created with Sketch.

Mit dem Roman Frauenland legt Wolfgang Schmidt einen Western vor, der an den formalen Stilmitteln des Genres anknüpft. In Schmidts Roman basieren  viele der erwähnten Ereignisse auf historisch belegbaren Begebenheiten. Ebenso finden sich bei ihm historisch überprüfbare Beschreibungen von „Weltverhätnissen“, die die Menschen zu Ende des 19. Jahrhunderts den USA eingegangen sind oder besser: die sie eingehen mussten. Das Hervorhebenswerte an dem Buch liegt allerdings nicht in der historisch korrekte Nachzeichnung von Personen, Dingen und Gegebenheiten, sondern ist im utopischen Überschuss begründet, der der Beschreibung des Lebens von sieben Frauen in ihren jeweiligen Verhältnissen innewohnt. Und dies sind immer Geschlechter- und damit Herrschaftsverhältnisse. 

Schon die Anlage des Plots, bei dem die Frauen auf einer Fahrt mit einer Kutsche von Kansas nach Texas, über sich hinauswachsen müssen, ist ungewöhnlich. Die kleinen und großen Durchsetzungsnotwendigkeiten und -abenteuer, die mit konkreten Gewalterfahrungen, bis hin zu den überlebensnotwendigen Verteidigungshandlungen der Frauen verbunden sind, wenden sich gegen die, auf strukturellen Gewaltverhältnissen basierenden Gegebenheiten. Die Frauen bekämpfen sie in einem quasi organisch anmutenden individuellen und kollektiven Persönlichkeitsentwicklungsprozess. Der Ausruf: 'Wir sind eine Mannschaft', zieht sich quasi als Mantra der Selbstvergewisserung, aber auch als Ausdruck kollektiver Identifikation, durch den wilden Westen, den die Frauen sich auf ihre Art aneignen.  Dass sie die Verhältnisse dabei nicht gleich zum Tanzen bringen und die Schwierigkeiten erst nach und nach bekämpfen (können), ist eine der Stärken des Romans.

Spätestens hier wird deutlich, dass es sich bei Frauenland nicht nur um eine einfache Umkehrung der Verhältnisse von Männern und Frauen im „Wilden Westen“ handelt, sondern um eine differenzierte und einfühlsame Art und Weise den handelnden Personen ein Gesicht und eine Geschichte zu geben, die ihre Handlungen als verständlich, als nachvollziehbar und sogar als notwendig erscheinen lassen. Die 'bewaffnete Melancholie', die sich manchmal in dem Satz einer Protagonistin erkennen lässt, lautet: „Ich glaube nicht!“ Sie ist immer als Antwort auf die Zumutungen der Übergriffigkeiten und Herrschaftsanmaßungen zu verstehen. 

Der kollektive Entwicklungsprozess der Frauen lässt aber noch genug individuell prägende Geschichten erkennen, die den Spannungsbogen von Kollektiv und Individuum oft erahnen lässt, aber dabei nicht stehen bleibt, sondern dialektisch wieder zusammenführt. Das geschieht in einer natürlich fließenden Form, der es der LeserIn ermöglicht, das Buch mit nur wenigen Unterbrechungen zu lesen. Ein Werk, das für lange Novemberabende oder für den Tisch unter dem Weihnachtsbaum geradezu geschrieben ist.

Willy Eßmann

FRAUENLAND: 
weitere Online-Artikel und Online-Rezensionen

Created with Sketch.

Inspirationen für das Buch

(Quelle der Kurztexte: Wikipedia)

Belle Star

(eigentlich: Myra Maybelle Shirley; * 5. Februar 1848 in Carthage, Missouri; † 3. Februar 1889) zählt zu den berühmtesten Räuberbräuten des Wilden Westens. Drei ihrer Ehemänner, einer ihrer Liebhaber und sie selbst starben eines gewaltsamen Todes. Die abenteuerliche Lebensgeschichte der amerikanischen Banditenkönigin wurde – nicht immer wahrheitsgemäß – in Büchern und Filmen dargestellt. Die Angaben über ihre Ehemänner, Liebhaber und ihre Beteiligung an kriminellen Handlungen differieren häufig. 

Wild Bill Hickock 

(eigentlich: James Butler „Wild Bill“ Hickok, * 27. Mai 1837 in Troy Grove, Illinois; † 2. August 1876 in Deadwood, South Dakota) war ein US-amerikanischer Western- beziehungsweise Revolverheld, Soldat und Gesetzeshüter. In sechs überlieferten Schießereien tötete der Gunslinger sieben Menschen. 

Ned Buntline 

(* 20. März 1823 in Harpersfield, Delaware County, New York;[1]16. Juli 1886 in Stamford, New York) war das Pseudonym von Edward Zane Carroll Judson (E.Z.C. Judson), einem US-amerikanischen Redakteur, Journalisten, Schriftsteller und Publizisten, der insbesondere durch seine Groschenromane bekannt geworden ist.

Johnny Ringo

(eigentlich: John Peters „Johnny“ Ringo, * 3. Mai 1850 in Greens Fork, Wayne County, Indiana; † 13. Juli 1882 im Turkey Creek Canyon, Arizona) war ein US-amerikanischer Revolverheld des amerikanischen Westens, über den jedoch nur wenig bekannt ist.

Mark Twain

(eigentlich Samuel Langhorne Clemens, * 30. November 1835 in Florida, Missouri; † 21. April 1910 in Redding, Connecticut), war ein amerikanischer Schriftsteller. Mark Twain ist vor allem als Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt.

Victoria Woodhull

Victoria Claflin Woodhull Martin, auch Victoria Woodhull Martin, (* 23. September 1838 in Homer,[1] Licking County, Ohio; † 9. Juni 1927 in Tewkesbury, England)[2] war eine US-amerikanische Journalistin, Zeitungsverlegerin, Finanzmaklerin, Spiritistin und eine bekannte Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts. Außerdem setzte sie sich für soziale Reformen und die Gleichberechtigung der Afroamerikaner ein.

Harriet Beecher Stove

(geborene Harriet Elizabeth Beecher; * 14. Juni 1811 in Litchfield, Connecticut; † 1. Juli 1896 in Hartford, Connecticut) war eine US-amerikanische Schriftstellerin und erklärte Gegnerin der Sklaverei. Sie schrieb zahlreiche Artikel und über 30 Bücher, wovon ihr bekanntestes Buch Onkel Toms Hütte aus dem Jahr 1852 ein Roman gegen die Sklaverei war.